Stellungnahme zur Wasserkraftreserve
Die beispiellose Kostensteigerung im Bereich Energiebeschaffung sowie steigende Kosten für die Netznutzung stellen die Industrie vor sehr grosse und die stromintensivsten Unternehmen vor existenzielle Herausforderungen. Darüber hinaus operieren unsere Unternehmen bereits seit Jahren in einem angespannten Umfeld, bewältigen sie doch zurzeit eine Krise nach der anderen. Wohlgemerkt im freien Markt, ohne Marktprämien, ohne Investitionsbeiträge, ohne eine faktische Staatsgarantie und vor allem ohne gesetzlich garantierte Kapitalrenditen. Die Covid-Krise, unterbrochene Lieferketten, markant gestiegene Transportpreise, nicht verfügbare Komponenten, gestörte Lieferketten, stark erhöhte Rohstoffpreise und die Aufwertung des Schweizer Frankens belasten die Wettbewerbsfähigkeit der exportorientierten Unternehmen. Zudem werden im benachbarten Ausland zurzeit die energieintensiven Unternehmen von gewissen Abgaben entlastet oder Rabatte auf Energierechnungen gegeben, was die Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen weiter verschlechtert. Dem gegenüber steht eine überwiegend staatlich kontrollierte Elektrizitätswirtschaft, welche mit Investitionsbeiträgen und asymmetrischen Marktprämien ein von den Verbrauchern finanziell abgesichertes, beinahe risikoloses Geschäftsmodell betreibt (Bsp. gesetzlich garantierte Kapitalrendite – WACC). Vor diesem Hintergrund ist es angebracht, die Branche bezüglich ihrer Verantwortung zur Sicherung der Versorgungssicherheit – u.a. mit der vorliegenden Wasserkraft-Reserve – deutlich stärker in die Pflicht zu nehmen. Dies im Sinne einer vertretbaren Gegenleistung für die von den Verbrauchern während vieler Jahre bezahlten Investitionsbeiträge und Marktprämien.
Die IGEB begrüsst die Einführung der Wasserkraft-Reserve als Beitrag zur Stärkung der Versorgungssicherheit. Für die vorliegende Übergangslösung bis zum Inkrafttreten des Mantelerlasses, mit entsprechenden Regelungen zur Ausgestaltung und Vergütung einer technologieneutralen Winterreserve (inkl. der Möglichkeit von Lastreduktionen bei Verbrauchern), lehnen wir jedoch eine zusätzliche Belastung der Verbraucher zur Finanzierung der Wasserkraft-Reserve ab. Grobkonzept für die Beschaffung der Speicherreserve: Reichen die von den Kraftwerkbetreibern zu Beginn des hydrologischen Jahres freiwillig angemeldeten Energiereserven nach Einschätzung der ElCom nicht aus, um die Versorgungssicherheit in der betrachteten Zeitperiode zu gewährleisten, so soll eine zusätzliche Energiereserve über subsidiäre Verfügungen beschafft werden können.
Ausufernde Kostensteigerung im Bereich Energie:
- Die Industrie sieht sich mit einem beispiellos hohen Energie-Marktpreisniveau konfrontiert, das sich gemäss den Forward-Notierungen an den Strombörsen nur langsam in den nächsten Jahren reduziert. Zurzeit schliessen Industrieunternehmen neue Energielieferverträge zu 23 Rp./kWh ab (vorher 6 Rp./kWh). Damit haben sich alleine die Energiebeschaffungskosten fast vervierfacht! Netznutzungskosten sind hier noch nicht berücksichtigt.
- Die Swissgrid-Tariferhöhungen betragen für 2023 und die nächsten 4 Jahre ca. 0.3 bis 0.4 Rp./kWh. Die Tendenz ist möglicherweise weiter steigend, da Swissgrid künftig zur Gewährleistung des stabilen Netzbetriebs wohl einen höheren Regelleistungsbedarf hat sowie auf mehr Redispatch-Mass-nahmen angewiesen ist. Damit würden die Beschaffungskosten von Swissgrid, welche wiederum auf die Verbraucher abgewälzt werden, weiter steigen.
- Die im Winter 2022/2023 erstmals von Swissgrid zu kontrahierende Wasserkraft-Speicherreserve verursacht gemäss erläuterndem Bericht weitere Mehrbelastungen von 0.2 bis 0.4 Rp./kWh. Die Tendenz ist möglicherweise ebenfalls steigend, weil die Kraftwerkbetreiber nicht nur Opportunitäts-erlöse an den Strommärkten, sondern wohl auch potenziell steigende Erlöse an den Regelenergiemärkten in das Pricing der Vorhalteleistungen einpreisen werden. Die höheren SDL-Beschaffungs-kosten der Swissgrid führen neben höheren SDL-Tarifen zudem indirekt über teurere Ausgleichsenergie zu weiteren Zusatzkosten, welche die Bilanzgruppenverantwortlichen nach Möglichkeit auf die Verbraucher überwälzen.
- Für den Ausbau der Speicherwasserkraft resp. für mehr Winterstrom wird gemäss Mantelerlass eine Zusatzbelastung von 0.2 Rp./kWh veranschlagt.
- Eine aktuelle Studie der Universität Genf in Zusammenarbeit mit BKW schätzt die Mehrkosten aufgrund des vermehrten Einsatzes von PV, Wärmepumpen und Elektromobilität für den Netzausbau alleine auf Verteilnetzebene auf rund 11 Mia. CHF bis 2050. Zum Vergleich: Der Anschaffungswert des Übertragungsnetzes von Swissgrid beträgt gemäss BKW per Ende 2020 gerade mal die Hälfte, nämlich rund 5.3 Mia. CHF.
Im aktuellen Marktumfeld sowie vor einer sich abzeichnenden weiteren Kostensteigerung bei der Netznutzung ist für die Industrie zurzeit eine weitere Mehrbelastung für die Vorhaltung einer Speicherreserve inakzeptabel. Die Vorhaltung der Wasserkraft-Reserve soll deshalb nicht separat abgegolten werden. Wird sie im Ereignisfall abgerufen, sind den Kraftwerkbetreibern extrem hohe Marktpreise garantiert, welche wohl die Vorhaltekosten deutlich übersteigen.
→ Bis zum Inkrafttreten des Mantelerlasses ist eine weitere Mehrbelastung der Grossverbraucher inakzeptabel.