Wo soll Wasserstoff in Zukunft produziert werden?
Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI haben analysiert, in welchen Regionen der Welt Wasserstoff am kostengünstigsten herzustellen wäre, um eine Ökonomie aufzubauen, die auf diesem alternativen Energieträger statt auf fossilen Quellen basiert. Ein Ergebnis: Der Ersatz fossiler Energien durch Strom und Wasserstoff bedeutet keineswegs, dass keine Treibhausgasemissionen mehr auftreten. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Nature Communications. Die gesamte Medienmitteilung kann auf der Website des PSI gelesen werden.
Die Schweiz soll bis 2050 klimaneutral werden. Das heisst, dass der Atmosphäre, um den Klimawandel zu bremsen, ab dann netto keine zusätzlichen Treibhausgase mehr hinzugefügt werden. Als ein wesentlicher Baustein, um dieses Ziel zu erreichen, gilt die Elektrifizierung von Verkehr, Industrie und Haushalten bei gleichzeitiger Umstellung auf erneuerbare Stromquellen wie Wasser, Wind und Sonne. Allerdings kann Strom nicht überall als Energielieferant dienen – für bestimmte Anwendungen ist seine Energiedichte nicht ausreichend. Wo höhere Anforderungen gestellt werden, soll Wasserstoff einspringen. Die Luftfahrt, die Landwirtschaft und die Stahlindustrie sind Beispiele für Anwendungen, bei denen durch den Einsatz von Wasserstoff – der teilweise für die Herstellung von Düngemitteln oder synthetischen Kohlenwasserstoffen verwendet wird – die Klimabelastung deutlich reduziert werden kann.
Die Forschenden um Erstautor Tom Terlouw und Projektleiter Christian Bauer vom Labor für Energiesystemanalysen des PSI haben geografische und ökonomische Daten und Prognosen zusammengestellt, um den Aufbau einer Wasserstoffökonomie in vier Szenarien zu beschreiben: Demnach wird der Wasserstoffbedarf 2050 zwischen 111 und 614 Megatonnen pro Jahr betragen – je nach Szenario: Im ersten Szenario macht die Welt weiter wie bisher und verlässt sich auf fossile Energieträger. Im vierten und optimistischsten Szenario betreibt sie konsequenten Klimaschutz und erreicht das 1,5-Grad-Ziel. Aktuell werden weltweit rund 90 Megatonnen Wasserstoff pro Jahr produziert.
Wo ist genug Platz für Elektrolyse?
Zur Herstellung von Wasserstoff existieren verschiedene Verfahren. Aktuell dominiert noch die sogenannte Methan-Dampfreformierung, bei der das Element unter Druck und Hitze aus Erdgas, Erdöl oder Kohle – also fossilen Energieträgern – gewonnen wird. Die optimistischeren Szenarien gehen davon aus, dass stattdessen zunehmend PEM-Elektrolyseure zum Einsatz kommen, also Apparate, die mit Strom und einer Polymer-Elektrolyt-Membran Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufspalten. Wenn dafür nur grüner Strom aus erneuerbaren Quellen verwendet wird, läuft das Verfahren ohne fossile Energieträger. Es verursacht bis zu 90 Prozent weniger Treibhausgase als die Methan-Dampfreformierung.
Tom Terlouw / Foto © Paul Scherrer Institut PSI/Mahir Dzambegovic
Die zentrale Frage aber war, wo auf der Erde der Wasserstoff auf diese Weise hergestellt werden sollte. «Wir haben dazu vor allem ökonomische Kriterien angelegt», sagt Tom Terlouw. «Sprich, wo ist die Produktion am günstigsten?» Und dabei stellten sich zwei Faktoren als entscheidend heraus: Wo lässt sich der enorme Bedarf an Ökostrom für die Elektrolyse am effizientesten decken, weil alternative Energieträger wie Wind und Sonne reichlich vorhanden sind? Und wo gibt es genügend geeignetes Land, um die zur Produktion notwendigen Anlagen aufzustellen?
Kanada ist ideal, die Schweiz eher nicht
Als eine der besten Regionen für die künftige Wasserstoffproduktion stellten sich zum Beispiel grosse Teile Kanadas heraus: «Dort existieren viele freie Flächen, die sehr windig und daher ideal zum Aufstellen von Windturbinen sind», sagt Terlouw. «Noch dazu gibt es viel Wasser und stabile politische Verhältnisse – zwei Kriterien, die wir jedoch in dieser Studie noch nicht näher betrachtet haben. Aber natürlich spielt auch die Verfügbarkeit von Wasser für die Elektrolyse eine Rolle und ob es sich um ein Land handelt, aus dem man zuverlässig Wasserstoff importieren kann.»
Wenn man diese Kriterien aussen vor lässt, bieten auch die zentralen USA gute Bedingungen sowie Teile Australiens, der Sahara, Nordchinas und Nordwesteuropas. Entweder weil es dort viel Sonne zur Produktion von Solarstrom gibt oder viel Wind und freie Fläche zum Aufstellen von Windenergieanlagen – und der Wasserstofffabriken. Weniger gut zur Produktion eignen sich mitteleuropäische Industrieländer wie die Schweiz oder Deutschland, weil dort kaum verfügbare Flächen für Windräder vorhanden sind und die Sonneneinstrahlung relativ gering ist. Auch andere dicht besiedelte Regionen und Länder wie Japan oder weite Küstenabschnitte der USA und Chinas könnten nur zu vergleichsweise hohen Kosten produzieren. «Wir haben da also eine gewisse Diskrepanz festgestellt zwischen Regionen mit hohem Bedarf an Wasserstoff und Regionen mit grossen, effizienten Produktionskapazitäten», resümiert Terlouw. Diese müssten eine Wasserstoffökonomie durch weltweiten Handel bewältigen, was allerdings weiteren Energieaufwand bedeutet – und politische Kooperation erfordert. Nicht zuletzt besteht der Aufwand darin, dass Wasserstoff in der Regel in gebundener Form – etwa als Ammoniak oder Methanol – transportiert wird. Denn als reines Gas nimmt er zu viel Volumen ein, und für seine deutlich kompaktere, flüssige Form muss er stark gekühlt werden.
Hier sehen Sie die komplette Medienmitteilung des Paul Scherrer Instituts: